Fachbeiträge zur digitalen Transformation im Finanz- und Rechnungswesen

Hybride E-Rechnungsprozesse im Mittelstand – Herausforderungen und Lösungen in der Übergangsphase

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Im letzten Jahr haben wir viel über die bevorstehende E-Rechnungspflicht gesprochen – mittlerweile ist sie da. Seit dem 1. Januar 2025 gilt die Verpflichtung für Unternehmen in Deutschland, strukturierte elektronische Rechnungen empfangen zu können. Damit hat die Übergangsphase offiziell begonnen: Eine Zeit, in der noch längst nicht alle Rechnungen strukturiert übermittelt werden – und Unternehmen mit einer Mischung aus Papierbelegen, PDFs und E-Rechnungen umgehen müssen.

Gerade für mittelständische Unternehmen ist diese Phase besonders herausfordernd. Sie arbeiten mit begrenzten Ressourcen, unterschiedlich digitalisierten Lieferantenbeziehungen und oft ohne durchgängig automatisierte Prozesse. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an Nachvollziehbarkeit, Compliance und Systemintegration. In diesem Beitrag werfen wir einen genaueren Blick auf die typischen Praxisprobleme hybrider E-Rechnungsprozesse im Mittelstand – und zeigen, wie Unternehmen jetzt strukturiert vorgehen können, um diese Übergangszeit sinnvoll zu gestalten. (Zur Einordnung der gesetzlichen Fristen siehe auch unseren Beitrag: „Worum geht es bei der E-Rechnungspflicht 2025?“)

Die Realität im Mittelstand: Formate, Fragmentierung und viele Fragezeichen

In vielen Diskussionen der Shift Finance Veranstaltungen zeigt sich deutlich: Mittelständische Unternehmen kämpfen aktuell mit erheblichen Herausforderungen rund um die Umsetzung der E-Rechnungspflicht. Seit Beginn der Übergangsphase ist der Rechnungseingang durch ein Nebeneinander unterschiedlichster Formate geprägt. Während erste strukturierte E-Rechnungen im XML-Format eintreffen, dominiert weiterhin das PDF – meist per E-Mail. Hinzu kommen Papierrechnungen, die nach wie vor in vielen Unternehmen eingehen und manuell bearbeitet werden müssen.

Diese Formatvielfalt ist kein Einzelfall: Laut der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) führt die parallele Existenz von Papierrechnungen, PDFs und strukturierten Formaten gerade in kleinen und mittleren Unternehmen zu Medienbrüchen und hohem manuellem Aufwand – mit negativen Effekten auf Effizienz und Prozessqualität (DIHK, 2023).

Auch die Heterogenität der Lieferantenbeziehungen erschwert eine einheitliche Verarbeitung. Viele Unternehmen arbeiten mit unterschiedlich digitalisierten Geschäftspartnern – von großen Systemlieferanten mit E-Rechnungs-Output bis hin zu Kleinbetrieben, die weiterhin auf Word- oder Excel-Vorlagen setzen (IHK Braunschweig, 2024). Der Mittelstand steht damit im Zentrum eines noch nicht harmonisierten Systems – und muss mit begrenzten Ressourcen Lösungen entwickeln, um rechtssicher, effizient und anschlussfähig zu bleiben.

Medienbrüche im Workflow: Wo die Reibungsverluste im Alltag entstehen

Hybride Prozesse bedeuten in der Praxis: Rechnungen treffen auf unterschiedlichen Kanälen ein – und durchlaufen unterschiedliche Wege durch das Unternehmen. Strukturierte E-Rechnungen im XML-Format benötigen spezialisierte Importschnittstellen und Validierungsmechanismen, während PDF- und Papierrechnungen zunächst gescannt oder per OCR erfasst werden müssen. Häufig fehlt eine zentrale Steuerung, die alle Formate in einheitliche Workflows überführt.

In seinem Vortrag auf der Shift/Finance Plattform beschreibt Christian Große-Brookhuis (EASY SOFTWARE), wie gerade im Mittelstand fehlende Integration und unverbundene Systeme zu Verzögerungen und ineffizienten Abläufen führen – und wie wichtig es ist, E-Rechnungsformate frühzeitig in durchgängige, digitalisierte Prozesse einzubetten („E-Rechnung – So klappt die Einführung digitaler Rechnungsprozesse, ganz easy“, Shift/Finance Mediathek).

In vielen Organisationen ist zudem kein zentrales Input-Management etabliert, das Formate automatisch erkennt, klassifiziert und in abgestimmte Freigabeprozesse überführt. Der Medienbruch wird so zum Prozessbruch – mit direktem Einfluss auf Bearbeitungszeit, Transparenz und Compliance.

Technische Herausforderungen & Revisionssicherheit: Zwischen Systembruch und Archivpflicht

Viele mittelständische Unternehmen verfügen über gewachsene IT-Strukturen mit spezialisierten Tools wie OCR-Systemen, PDF-Parsers und XML-Importmodulen, die oft isoliert voneinander arbeiten. Diese fehlende Integration führt dazu, dass Rechnungen in unterschiedlichen Verarbeitungspfaden landen und manuell sortiert oder mehrfach bearbeitet werden müssen – was die angestrebte Automatisierung untergräbt.

Zwar setzen viele Unternehmen bereits Dokumentenmanagement- oder Enterprise-Content-Management-Systeme (ECM) für die digitale Archivierung ein. Doch in der hybriden Realität reicht ein Archiv allein nicht aus: Die Herausforderung besteht darin, strukturierte und unstrukturierte Rechnungsformate in einheitliche, dokumentierte Workflows zu integrieren – vom Eingang über die Prüfung bis hin zur Archivierung.

Wie IT-ZOOM betont, bedeutet GoBD-konformes Arbeiten mehr als nur das Speichern von Rechnungen: Es geht um eine vollständig nachvollziehbare, maschinell auswertbare und unveränderbare Ablage über den gesamten Lebenszyklus hinweg – inklusive lückenloser Protokollierung aller Bearbeitungsschritte (IT-ZOOM, 2023).

Nicht alle eingesetzten Systeme sind darauf vorbereitet, strukturierte E-Rechnungen wie XRechnung oder ZUGFeRD korrekt zu interpretieren, medienbruchfrei zu verarbeiten und langfristig revisionssicher zu speichern. Laut einem Beitrag auf ECMguide.de stellen insbesondere heterogene Rechnungsformate hohe Anforderungen an die Flexibilität von ECM-Lösungen, da sie nicht nur Daten erfassen, sondern diese auch im korrekten Kontext prüfen und ablegen müssen (ECMguide, 2023).

d.velop wiederum betont, dass viele Unternehmen zwar mit GoBD vertraut sind, die konkreten organisatorischen und technischen Anforderungen jedoch häufig unvollständig umsetzen – insbesondere in hybriden Prozessen mit parallelen Eingangsformaten (d.velop, 2022).

Lieferantenkommunikation: Brücken bauen in Richtung E-Rechnung

Ein zentrales Element für die erfolgreiche Umsetzung der E-Rechnungspflicht im Mittelstand ist eine systematische, aktiv gestaltete Kommunikation mit den eigenen Lieferanten. Denn auch wenn die technische Infrastruktur intern steht – der Rechnungseingang bleibt nur so gut wie der Output der Lieferanten. Und gerade dort liegt die Herausforderung: Viele kleinere Geschäftspartner wissen nicht, dass sie bereits strukturierte Rechnungen erzeugen könnten – oder kennen die Anforderungen des Empfängers schlicht nicht.

Exkurs: Wie Unternehmen ihre Lieferanten beim E-Rechnungs-Onboarding unterstützen können
Auch wenn viele kleinere Lieferanten Softwarelösungen nutzen, die strukturierte Rechnungsformate wie XRechnung oder ZUGFeRD erzeugen können, wird dieses Potenzial oft nicht ausgeschöpft. Unternehmen können hier gezielt unterstützen – mit einem aktiven Lieferanten-Onboarding, das Information, Begleitung und Anreize kombiniert:

  • Formatvorgaben klar kommunizieren
  • Quick-Guides für gängige Tools bereitstellen
  • Upload-Portale mit Konvertierungsfunktion anbieten
  • Lieferanten segmentieren und gezielt ansprechen
  • Anreize durch schnellere Bearbeitung oder bevorzugte Zahlung setzen
  • Automatisierte Rückmeldungen bei fehlerhaften Rechnungen etablieren

Viele Lieferanten sind technisch bereit, aber organisatorisch noch nicht eingebunden. Wer als empfangendes Unternehmen das Onboarding aktiv gestaltet, reduziert Medienbrüche, erhöht die Formatqualität und legt den Grundstein für automatisierte Prozesse.

Fazit: Hybride Realität anerkennen – und strategisch gestalten

Die E-Rechnungspflicht ist gekommen, um zu bleiben – aber ihre Einführung ist kein rein technischer, sondern ein prozessualer und kommunikativer Wandel. Gerade im Mittelstand zeigt sich, dass hybride Szenarien zur neuen Realität geworden sind: Strukturierte E-Rechnungen treffen auf PDFs und Papier – und verlangen nach flexiblen, integrierten Lösungen.

Fünf Empfehlungen für den Mittelstand:

  1. Hybride Prozesse erfassen, analysieren und strukturieren
  2. Technologien gezielt integrieren statt Insellösungen betreiben
  3. Revisionssicherheit mit dem Archiv abstimmen
  4. Lieferanten aktiv onboarden
  5. Digitale Kompetenz im Rechnungswesen aufbauen

Wer jetzt handelt, schafft nicht nur Sicherheit im Umgang mit gesetzlichen Vorgaben – sondern auch die Grundlage für ein zukunftsfähiges, automatisiertes und effizienteres Rechnungswesen.

Bei dem aktuell bevorstehenden Shift/Finance Purchase-to-Pay FORUM am 14.05. diskutieren wir u.a. auch die aktuellen Herausforderungen der Unternehmen bei der weiteren Einführung digitaler Rechnungsvorgänge. Hier geht es zur Veranstaltungsseite und Anmeldung!

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