Fachbeiträge zur digitalen Transformation im Finanz- und Rechnungswesen

Evolution der Prozessautomatisierung im Rechnungs- und Finanzwesen

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Die Automatisierung von Geschäftsprozessen ist im Rechnungs- und Finanzwesen zu einem entscheidenden Treiber für Effizienz und Genauigkeit geworden. Während traditionelle Methoden früher den Arbeitsalltag dominierten, haben technologische Fortschritte neue Möglichkeiten geschaffen, repetitive und regelbasierte Aufgaben zu automatisieren. Diese Entwicklungen haben die Arbeitsweise in Finanzabteilungen grundlegend verändert, sodass Unternehmen sich stärker auf strategische Aufgaben konzentrieren können.

Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die wichtigsten Entwicklungsschritte der Prozessautomatisierung – von den Anfängen mit einfachen Makros bis hin zu hochentwickelten autonomen Systemen. Dabei wird aufgezeigt, wie Konzepte wie Robotic Process Automation (RPA), Künstliche Intelligenz (KI) und Hyperautomation eingesetzt werden, um Prozesse effizienter zu gestalten. Durch Beispiele aus dem betrieblichen Rechnungs- und Finanzwesen wird verdeutlicht, welche nachhaltigen Veränderungen die Ansätze bringen.

Es ist wichtig zu betonen, dass die in diesem Artikel besprochenen Ansätze bereits in vielen modernen Softwarelösungen integriert sind – jedoch in unterschiedlicher Ausprägung und Tiefe. Während einige Systeme grundlegende Automatisierungsfunktionen bieten, sind andere darauf ausgelegt, komplexe und intelligente Prozesse vollständig autonom abzuwickeln.

Von simpler Aufgabenverarbeitung zur Verarbeitung von komplexen Prozessketten

Die Prozessautomatisierung hat eine lange Geschichte, die mit dem manuellen Anstoß von Batch-Prozessen oder spezifischen Aufgabenverarbeitungen begann. Mit dem Fortschreiten der Softwareentwicklung und der zunehmenden Komplexität von Anwendungen entstand der Bedarf nach einer flexibleren und dynamischeren Prozesssteuerung. Diese Entwicklung führte zu einem Übergang von manuell ausgelösten Prozessen hin zu komplexen Prozessketten.

Simple Aufgabenverarbeitung

Die früheste Form der Prozessautomatisierung bestand in der manuellen Auslösung von Aufgaben. In dieser Phase mussten Benutzer bestimmte Aktionen manuell anstoßen, um einen Prozess in Gang zu setzen. Diese Aufgabenverarbeitung konnte entweder als singuläre Aktion oder im Massen-/Batch-Modus durchgeführt werden. Typische Beispiele im Rechnungswesen umfassen das manuelle Ausführen von Makros in Excel oder das Starten von Skripten zur Datenverarbeitung.

Beispiel: Im Rechnungswesen könnte ein Mitarbeiter zum Monatsende manuell ein Makro in Excel starten, um Finanzdaten aus verschiedenen Quellen zu sammeln und diese zu einem Bericht zu konsolidieren. Diese Art der Automatisierung erleichtert die Verarbeitung großer Datenmengen und reduziert manuelle Fehler, ist jedoch auf einfache, wiederholbare Aufgaben beschränkt.

Regelbasierte Prozessautomatisierung

Die nächste Stufe der Automatisierung baut auf der Fähigkeit auf, komplexe Prozessketten durch klar definierte Regeln und Entscheidungen zu steuern. Bei der regelbasierten Prozessautomatisierung werden Abläufe nicht mehr nur manuell oder sequentiell ausgeführt, sondern basieren auf einem Set von vordefinierten Regeln, die den Prozessfluss steuern. Diese Art der Automatisierung ermöglicht es, verschiedene Szenarien und Bedingungen innerhalb eines Prozesses zu berücksichtigen und dynamisch darauf zu reagieren, wodurch der Prozess effizienter und anpassungsfähiger wird.

Beispiel: Im Finanzwesen könnte ein regelbasierter Prozess den Genehmigungsworkflow für Rechnungen automatisieren. Wenn eine Rechnung eine bestimmte Schwelle überschreitet, wird sie automatisch an die entsprechende Führungskraft zur Genehmigung weitergeleitet. Der Prozess könnte weitere Schritte umfassen, wie die automatische Buchung der genehmigten Rechnung und die Vorbereitung der Zahlung. Dies verringert die Notwendigkeit manueller Eingriffe und stellt sicher, dass der Prozess effizient und konsistent abläuft.

Von monolithischen IT-Applikationen zu Service-Integrationsplattformen für die Umsetzung von Fachanwendungen

Sowohl aus der für Unternehmen immer notwendig werdender Flexibilität wie auch der Weiterentwicklung der IT-Infrastrukturen und -Architekturen haben sich die Geschäftsanwendungen - und insb. die Prozesslösungen - von monolithischen zur modularen Service-Ansätzen entwickelt. Die aktuellen Entwicklungsbestrebungen gehen in Richtung von "Composable Architectures", die eine flexiblere, skalierbarere und effizientere Entwicklung von Geschäftsanwendungen ermöglicht.

Mit der zunehmenden Komplexität von Geschäftsprozessen und der Weiterentwicklung der IT-Infrastrukturen hat sich die Prozessautomatisierung in Unternehmen von monolithischen Lösungen hin zu flexiblen, modularen Ansätzen entwickelt. Während monolithische Architekturen früher die Standardlösung darstellten, ermöglichen moderne Low-Code-Plattformen und Microservices heute eine deutlich agilere und skalierbare Prozessgestaltung. Diese Entwicklung wurde durch die Standardisierung von Software-Architekturen und die Virtualisierung in der Cloud maßgeblich unterstützt.


Evolution der Business Applikationen von monolithischen Konzepten zu modularen Service-Plattformen

Process Automation im Zeitalter der monolithischen IT-Applikationen

In der frühen Phase der Prozessautomatisierung setzten Unternehmen vorwiegend auf monolithische Softwarelösungen. Diese Systeme waren als integrierte Gesamtlösungen konzipiert, in denen alle Funktionen in einem einzigen, unteilbaren Codebase untergebracht waren. Monolithische Architekturen waren in der Regel proprietär und eng mit der bestehenden IT-Infrastruktur eines Unternehmens verbunden, was zu einer starken Abhängigkeit von spezifischen Technologien und Anbietern führte.

Beispiel: Ein klassisches ERP-System (Enterprise Resource Planning) wie SAP ist ein typisches Beispiel für eine monolithische Lösung. Es bietet umfangreiche Funktionen zur Automatisierung von Finanzprozessen, die tief in die Geschäftslogik des gesamten Systems integriert sind. Änderungen oder Erweiterungen dieser Systeme erforderten oft umfangreiche Anpassungen und waren daher zeitaufwändig und kostenintensiv. Zudem erschwerte die starke Kopplung der einzelnen Module innerhalb der Systeme die Anpassung an neue Anforderungen oder die Integration von Drittanbieterlösungen.

Process Automation in den Händen der Business-User als Low-Code Lösung

Mit der Einführung von Service-orientierten Architekturen und Cloud-nativen Architekturen hat sich die Art und Weise, wie Unternehmen Prozessautomatisierung umsetzen, grundlegend verändert. Durch die Standardisierung von Software-Architekturen und die Virtualisierung in der Cloud wurde es möglich, flexible und skalierbare Automatisierungslösungen zu entwickeln. Low-Code-Plattformen haben diese Entwicklung weiter vorangetrieben, indem sie es ermöglichten, Automatisierungen ohne tiefgreifende Programmierkenntnisse zu erstellen.

Low-Code-Plattformen basieren auf modellgetriebener Entwicklung und erlauben es Business-Usern, durch visuelle Interfaces und vorgefertigte Bausteine Prozesse zu modellieren und zu automatisieren. Die Nutzung von Cloud-Services und API-gesteuerten Integrationen unterstützt die Skalierbarkeit und Anpassungsfähigkeit dieser Lösungen, wodurch sie sich ideal für den Einsatz in dynamischen Geschäftsumfeldern eignen.

Beispiel: Ein Finanzteam kann mithilfe einer Low-Code-Plattform Workflows zur Genehmigung von Ausgaben modellieren, die nahtlos in die bestehende IT-Infrastruktur integriert werden können. Diese Workflows lassen sich in einer Cloud-Umgebung ausführen, was die Flexibilität und Skalierbarkeit erhöht. Durch die Standardisierung von Schnittstellen (APIs) und die Verwendung von Microservices können diese Lösungen schnell angepasst und erweitert werden, ohne dass tiefgehende Eingriffe in die bestehende IT-Infrastruktur erforderlich sind. Die Möglichkeit, Prozesse direkt von den Fachabteilungen gestalten zu lassen, reduziert die Abhängigkeit von der IT-Abteilung und beschleunigt die Implementierung neuer Automatisierungslösungen.

Process Automation via Micro-Services & IPaaS Plattformen

Die nächste Evolutionsstufe in der Prozessautomatisierung ist der Übergang zu Microservices-Architekturen und Integration Platform as a Service (IPaaS). Microservices zerteilen monolithische Anwendungen in kleine, unabhängige Dienste, die spezifische Geschäftsprozesse abbilden und über standardisierte Schnittstellen miteinander kommunizieren. Diese modularen Architekturen ermöglichen eine höhere Agilität und erleichtern die Integration neuer Funktionen, ohne das gesamte System überarbeiten zu müssen.

IPaaS-Plattformen bieten eine zentrale Umgebung, um diese Microservices zu integrieren, zu orchestrieren und in bestehende IT-Ökosysteme zu integrieren. Sie ermöglichen es, verschiedene Automatisierungsdienste, die sowohl On-Premises als auch in der Cloud ausgeführt werden können, effizient zu verbinden und zu steuern. Dies fördert eine schnellere Bereitstellung von Automatisierungslösungen und erleichtert die Skalierung nach Bedarf.

Beispiel: Ein Finanzdienstleister nutzt eine IPaaS-Plattform, um verschiedene Microservices für Aufgaben wie Rechnungsverarbeitung, Steuerberechnungen und Zahlungsmanagement zu orchestrieren. Durch die Nutzung standardisierter APIs können diese Dienste flexibel miteinander verbunden werden, um komplexe Automatisierungsprozesse zu realisieren. Die Cloud-basierte Architektur von IPaaS ermöglicht es zudem, die Automatisierungslösungen bei steigenden Anforderungen schnell zu skalieren oder neue Dienste einfach hinzuzufügen.

Von Assisted RPA-Werkzeugen zu autonomen RPA-Agenten

Robotic Process Automation (RPA) hat sich in den letzten Jahren zu einer Schlüsseltechnologie in der Automatisierung von Geschäftsprozessen entwickelt. Besonders im Rechnungswesen spielt RPA eine zentrale Rolle, indem es die Effizienz steigert und Fehler reduziert. Die Entwicklung von RPA lässt sich in mehrere Evolutionsstufen unterteilen, die von einfachen, assistierten Automatisierungen bis hin zu hochentwickelten autonomen Systemen reichen, die durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) und Machine Learning (ML) ergänzt werden.

Die Analysten der Everest Group haben hierzu einen vierstufigen Entwicklungsplan skizziert:


Quelle: https://www.everestgrp.com/wp-content/uploads/2017/04/RPA-Maturity-Evolution.png

RPA 1.0: Die Anfänge der Automatisierung durch anwendungsübergreifendes Datenkopieren

Die erste Generation von RPA, auch als Assisted RPA bekannt, markierte den Einstieg in die Automatisierung regelbasierter, repetitiver Aufgaben, die zuvor manuell durchgeführt wurden. Diese frühen Bots wurden entwickelt, um Mitarbeitende bei einfachen Tätigkeiten wie dem Kopieren von Daten oder dem Ausfüllen von Formularen zu unterstützen. Allerdings agierten diese Bots unter direkter Kontrolle der Benutzer, was bedeutete, dass sie manuell gestartet und überwacht werden mussten.

Beispiel: Ein klassisches Szenario im Rechnungswesen ist die automatische Erfassung von Rechnungsdaten aus E-Mails in ein ERP-System. Ein Mitarbeitender wählt die relevanten Dokumente aus, und der Bot übernimmt die Datenübertragung in das System. Obwohl dieser Ansatz den Prozess erheblich beschleunigt und manuelle Eingabefehler reduziert, bleibt die Interaktion des Benutzers entscheidend für den Start und die Überwachung des Prozesses.

RPA 2.0: Von der unbeaufsichtigten Task-Bearbeitung zur automatisierten End-to-End-Prozessbearbeitung

Mit der Weiterentwicklung der Technologie entstand die nächste Stufe, Unassisted RPA, bei der Bots Aufgaben ereignisgesteuert und autonom, ohne menschliche Eingriffe, ausführen können. Diese Bots arbeiten im Hintergrund und automatisieren End-to-End-Prozesse, wodurch menschliche Arbeitskraft auf wertschöpfendere Tätigkeiten konzentriert werden kann. Unassisted RPA hebt die Automatisierung auf ein neues Niveau, indem es die manuelle Steuerung überflüssig macht und den gesamten Prozesszyklus autonom abwickeln kann. Allerdings bleibt der Anwendungsbereich dieser Bots auf klar definierte und weniger komplexe Prozesse beschränkt.

Beispiel: Im betrieblichen Rechnungswesen könnte ein Bot eigenständig die monatliche Konsolidierung von Finanzdaten aus verschiedenen Systemen übernehmen. Dieser Prozess umfasst das Erfassen, Validieren und Konsolidieren von Buchungseinträgen sowie das Generieren von Berichten. Die Automatisierung dieser komplexen Prozesse steigert die Effizienz, minimiert menschliche Fehler und verbessert die Genauigkeit der Finanzabschlüsse erheblich.

RPA 3.0: Systemübergreifende Automatisierung als aktueller Status der Technologie

Heutige RPA-Technologien bieten eine hohe Benutzerfreundlichkeit und Integrationsfähigkeit, wodurch sie als zentrale Steuerungsplattform für Automatisierungsaktivitäten fungieren können. RPA-Plattformen modellieren Prozesse in abstrakter Ablauflogik, deren Konfiguration und Optimierung durch Skript-Sprache oder Low-Code-Entwicklung auch für Fachanwender zugänglich ist. Die Integration von KI und Machine Learning ermöglicht fortschrittlichere und dynamischere Ablaufsteuerungen sowie eine intelligente Prozessoptimierung. Funktionen wie automatische Skalierung, Kontextsensitivität und umfangreiche Analysefähigkeiten ermöglichen die Entwicklung und kontinuierliche Verbesserung von intelligenten Bots.

Beispiel: Ein Bot, der für die automatische Verarbeitung von Zahlungen zuständig ist, kann eingehende Zahlungen mit offenen Rechnungen abgleichen, Zahlungsdifferenzen identifizieren und diese entsprechend verbuchen. Dadurch wird das Finanzmanagement nicht nur effizienter, sondern auch präziser und zuverlässiger.

RPA 4.0: Von Cognitive Automation zum integraten Bestandteil der Hyperautomation

Die Zukunft von RPA liegt in der tiefgreifenden Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) und Machine Learning (ML). Mit KI angereicherte Bots können nun unstrukturierte Daten wie Texte, Bilder oder gesprochene Sprache verarbeiten und darauf basierend Entscheidungen treffen. Diese Fähigkeiten ermöglichen die Automatisierung komplexer Aufgaben wie das Verstehen von natürlich sprachlichen Informationen oder das Interpretieren von Dokumenten. RPA 4.0 hebt die Automatisierung auf das nächste Niveau, indem Bots in der Lage sind, Muster in unstrukturierten Daten zu erkennen und eigenständig Entscheidungen zu treffen – und diese Entscheidungen wiederum zur Optimierung der definierten Prozesse zu nutzen. Diese Bots sind ein wesentlicher Bestandteil des Hyperautomation-Ansatzes.

Beispiel: Im Finanzwesen könnten solche Bots die automatische Analyse von Geschäftsdaten übernehmen, um Cashflow-Probleme vorherzusagen. Der Bot sammelt und analysiert unstrukturierte Daten aus verschiedenen Quellen und generiert darauf basierend konkrete Handlungsempfehlungen. Dies verbessert die Entscheidungsprozesse im Unternehmen erheblich und ermöglicht proaktive Maßnahmen zur Sicherung der Liquidität.

Von Workflow-Management-Systemen zu autonomen Agenten

Die Automatisierung von Geschäftsprozessen hat sich im Laufe der Zeit von einfachen, regelbasierten Workflows zu intelligenten und adaptiven Systemen weiterentwickelt. Diese Entwicklung spiegelt sich in den verschiedenen Automatisierungskonzepten wider, die von klassischen Workflow-Management-Systemen (WfMS) über Intelligent Business Process Management (iBPM) bis hin zu autonomen Agenten reichen. Jeder dieser Schritte bringt eine zunehmende Flexibilität, Autonomie und Anpassungsfähigkeit in die Prozessautomatisierung ein.

Workflow-Management-Systeme (WfMS)

Workflow-Management-Systeme (WfMS) bilden die Basis der modernen Prozessautomatisierung. Sie ermöglichen es Unternehmen, Geschäftsprozesse zu modellieren, auszuführen und zu überwachen. Diese Systeme sind besonders für strukturierte, wiederkehrende Prozesse mit klaren Regeln und Abläufen geeignet.

  • Design: In dieser Phase werden die Geschäftsprozesse modelliert, spezifische Arbeitsschritte definiert und die Zuständigkeiten festgelegt. Diese Modellierung ist die Grundlage für die nachfolgende Automatisierung.
  • Execution: Die Workflow-Engine führt die modellierten Prozesse aus und steuert den Ablauf. Sie stellt sicher, dass die festgelegten Regeln und Abläufe eingehalten werden.
  • Monitoring: Überwachungstools ermöglichen die Analyse und das Monitoring der laufenden Prozesse. Unternehmen können dadurch Schwachstellen identifizieren und kontinuierlich an der Prozessoptimierung arbeiten.

WfMS zielen darauf ab, die Prozessqualität zu verbessern, Durchlaufzeiten zu verkürzen und Kosten zu reduzieren. Allerdings bieten sie nur begrenzte Flexibilität, da sie strikt den vordefinierten Abläufen folgen und auf regelbasierten Entscheidungen beruhen.

Beispiel: Im betrieblichen Rechnungswesen werden WfMS oftmals im Bereich der Automatisierung des Rechnungsfreigabeprozesses eingesetzt werden. Ein WfMS modelliert den Prozess, bei dem eingehende Rechnungen automatisch an die entsprechenden Genehmigungsinstanzen weitergeleitet werden. Sobald eine Rechnung genehmigt ist, wird der Prozess fortgesetzt, indem die Zahlung veranlasst wird. Das Monitoring des Systems ermöglicht es dem Finanzteam, Engpässe zu identifizieren und sicherzustellen, dass alle Rechnungen fristgerecht bearbeitet werden. Dies verbessert die Transparenz und Effizienz des Zahlungsprozesses erheblich.

Intelligent Business Process Management (iBPM)

Intelligent Business Process Management (iBPM) erweitert das klassische Workflow-Management durch den Einsatz intelligenter Funktionen wie fortschrittliche Analysen, Künstliche Intelligenz (KI) und Echtzeit-Entscheidungsfindung.

  • Integration von KI und ML: iBPM-Systeme nutzen maschinelles Lernen und Datenanalysen, um Prozesse kontinuierlich zu überwachen und zu optimieren. Diese Integration ermöglicht es den Systemen, datenbasierte Entscheidungen zu treffen und Abläufe dynamisch anzupassen.
  • Adaptivität und Reaktionsfähigkeit: Im Gegensatz zu WfMS können iBPM-Systeme auf veränderte Geschäftsbedingungen reagieren und Prozesse in Echtzeit anpassen. Dies macht sie besonders geeignet für dynamische und komplexe Geschäftsumgebungen.
  • Optimierung in Echtzeit: Die Fähigkeit, Prozesse in Echtzeit zu analysieren und Anpassungen vorzunehmen, führt zu einer optimierten Prozessausführung, die sowohl die Effizienz als auch die Flexibilität erhöht.

iBPM-Systeme bieten eine höhere Flexibilität als traditionelle WfMS und können komplexere und dynamischere Prozesse steuern. Sie verringern die Notwendigkeit menschlicher Eingriffe, während sie dennoch die Möglichkeit bieten, in Ausnahmefällen einzugreifen.

Beispiel: iBPM-Systeme finden ihre Anwendung im Finanzwesen zur dynamischen Steuerung und Optimierung von Cashflow-Prozessen. Das System analysiert beispielsweise tägliche Finanzdaten und nimmt in Echtzeit Anpassungen vor, um Liquiditätsengpässe zu vermeiden. Wenn das System feststellt, dass der Cashflow unter ein bestimmtes Niveau fällt, kann es automatisch vorschlagen, Zahlungsziele anzupassen oder alternative Finanzierungsquellen zu aktivieren. Dies stellt sicher, dass das Unternehmen stets über ausreichende Mittel verfügt, um seine Verpflichtungen zu erfüllen, und gleichzeitig die Rentabilität optimiert.

Autonome Agenten

Autonome Agenten sind die Weiterentwicklung der "intelligenten" Prozessautomatisierung. Diese Systeme gehen über die Möglichkeiten von iBPM hinaus, indem sie vollständig autonome, selbstlernende Software-Agenten einsetzen, die eigenständig Entscheidungen treffen und sich an neue Situationen anpassen können. Sie haben großes transformative Potential aber auch verschiedene Herausforderungen, die es je nach fachlichem Kontext weiter zu diskutieren gilt.

  • Selbstständige Entscheidungsfindung: Autonome Agenten nutzen KI und maschinelles Lernen, um Entscheidungen basierend auf definierten Regeln, Algorithmen und bisherigen Erfahrungen zu treffen. Sie sind in der Lage, Prozesse ohne direkte menschliche Steuerung auszuführen.
  • Lernfähigkeit und Anpassungsfähigkeit: Diese Agenten lernen aus ihren Handlungen und verbessern ihre Entscheidungen kontinuierlich. Sie passen sich an neue Umstände an und reagieren in Echtzeit auf Änderungen in ihrer Umgebung.
  • Einsatz für hochkomplexe Aufgaben: Autonome Agenten eignen sich besonders für Aufgaben, die Flexibilität, schnelle Reaktionen und kontinuierliche Anpassungen erfordern, wie z.B. das Management von Finanzrisiken oder das proaktive Cash-Flow-Management.

Beispiel: Im Rechnungswesen könnten autonome Agenten verwendet werden, um den gesamten Prozess der Finanzplanung und -analyse (FP&A) zu optimieren. Ein autonomer Agent könnte die Aufgabe übernehmen, sämtliche finanziellen Daten des Unternehmens zu überwachen, Marktbedingungen zu analysieren und darauf basierend Budgetanpassungen vorzunehmen. Der Agent könnte beispielsweise erkennen, dass bestimmte Ausgabenkategorien über dem Budget liegen, und dann selbständig Empfehlungen für Kostensenkungsmaßnahmen erstellen oder die Umverteilung von Budgets vornehmen, um das finanzielle Gleichgewicht zu wahren. Dadurch wird die Finanzabteilung entlastet und gleichzeitig eine schnellere und präzisere Entscheidungsfindung ermöglicht.

Auf dem Weg zur Hyperautomation als adaptive Zukunftslösung

Die Reise der Prozessautomatisierung im Rechnungswesen hat sich von einfachen Makros über RPA bis hin zu intelligenten und autonomen Systemen entwickelt. Jede dieser Technologien hat einen wichtigen Beitrag zur Steigerung der Effizienz und Genauigkeit in Finanzabteilungen geleistet. Die Zukunft liegt in der Kombination und dem Zusammenspiel der verschiedenen Entwicklungslinien zu einem adaptiven, ganzheitlichen Ansatz, der vom Analystenhaus Gartner als Hyperautomation bezeichnet wird:

Hyperautomation is a business-driven, disciplined approach that organizations use to rapidly identify, vet and automate as many business and IT processes as possible. Hyperautomation involves the orchestrated use of multiple technologies, tools or platforms, including: artificial intelligence (AI), machine learning, event-driven software architecture, robotic process automation (RPA), business process management (BPM) and intelligent business process management suites (iBPMS), integration platform as a service (iPaaS), low-code/no-code tools, packaged software, and other types of decision, process and task automation tools. (Quelle)

Quelle: Gartner

Die Idee der Hyperautomation geht über die Automatisierung einzelner Aufgaben hinaus und zielt darauf ab, End-to-End-Prozesse zu integrieren und zu optimieren, indem sie Daten in Echtzeit analysiert und Prozesse dynamisch anpasst. Mit Hilfe von adaptiven Systemen sollen die Ansätze in der Lage sein, strukturierte und unstrukturierte Prozess-Inputs zu verarbeiten, Entscheidungen autonom zu treffen und sich an veränderte Bedingungen anzupassen. Dies sool es Unternehmen ermöglichen, noch agiler und effizienter auf die Herausforderungen einer zunehmend komplexen und dynamischen Geschäftswelt zu reagieren.

Beispiel: Im Rechnungs- und Finanzwesen könnte Hyperautomation eine transformative Wirkung entfalten, insbesondere in Bereichen wie dem Cashflow-Management und der Finanzplanung. Ein mögliches Anwendungsszenario ist die automatisierte Überwachung und Steuerung von Liquiditätsströmen. In diesem Szenario könnte ein Hyperautomationssystem kontinuierlich die Kontenbewegungen und Einnahmen-Ausgaben-Profile eines Unternehmens analysieren. Anhand dieser Daten könnte das System Prognosen über künftige Liquiditätsengpässe erstellen und automatisch Maßnahmen vorschlagen oder sogar eigenständig durchführen, um diese zu vermeiden. Dies könnte das frühzeitige Anpassen von Zahlungszielen, das Umverlagern von finanziellen Ressourcen oder das Anpassen der Kreditlinien umfassen.

Fazit: Chancen, Herausforderungen und die strategische Bedeutung der Prozessautomatisierung im Finanzwesen

Die Evolution der Prozessautomatisierung spiegelt das Streben der Unternehmen nach immer effizienteren, aber auch flexibleren Automatisierungslösungen wider. Insbesondere im betrieblichen Rechnungs- und Finanzwesen haben diese Ansätze transformative Folgen. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Bereich der adaptiven und autonomen Prozesssteuerung wirft dabei entscheidende Fragen auf: Inwieweit können Maschinen selbstständig kritische Prozesse übernehmen, und welche Rolle bleibt den menschlichen Verantwortlichen? Diese Entwicklungen führen zu einer deutlichen Veränderung der fachlichen Aufgaben – weg von der operativen Durchführung hin zum Monitoring und der Governance der maschinell verarbeiteten Prozesse.

Mit der Einführung von Low-Code-Plattformen und Microservices-Architekturen wird die Automatisierung von Prozessen zunehmend in die Hände der Fachabteilungen gelegt, wodurch die Abhängigkeit von IT-Ressourcen verringert und die Innovationsfähigkeit gesteigert wird. Gleichzeitig ermöglicht der Einsatz von IPaaS-Plattformen eine nahtlose Integration und Orchestrierung komplexer Prozesslandschaften, was zu einer höheren Agilität und Effizienz im Finanzmanagement führt.

Abschließend lässt sich sagen, dass die fortschreitende Automatisierung im Rechnungs- und Finanzwesen nicht nur technologische, sondern auch organisatorische Veränderungen mit sich bringt. Unternehmen, die diese Entwicklungen aktiv gestalten, werden nicht nur ihre Prozesse optimieren, sondern auch die Grundlage für eine zukunftsfähige und widerstandsfähige Geschäftsstrategie schaffen. Die Herausforderung besteht darin, das Gleichgewicht zwischen technischer Innovation und menschlicher Kontrolle zu finden – ein Balanceakt, der über den Erfolg der digitalen Transformation entscheidet.

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